Diesen Monat habe ich mir einen Lebenstraum erfüllt und viel Spaß gehabt, denn ich hab am Nanowrimo teil genommen. Was sich anhört wie der Name von einem der Monster von der Muppetshow (der mit der Gurkennase und den großen Augenbrauen), ist die Abkürzung für „National November Writing Month“ (nationaler Schreibmonat November).
Das Prinzip ist einfach. Jeder Teilnehmer schreibt im Monat November einen Roman mit einer Länge von 50.000 Wörtern. Zum Vergleich: ein Roman zum Kaufen hat so 80.000. Die Idee dahinter ist, die Leute zum Schreiben zu bringen. Denn, wenn man das Ziel erreichen will, hat man keine Zeit, stundenlang an einer Szene rumzudoktorn, oder sich ewig zu überlegen, ob die Story denn was taugt oder nicht. Für mich, der ich immer stundenlang an allem rumdoktor, ist das ein echter Vorteil.
Da ich zu spät eingestiegen bin (am ersten November war die Diss noch nicht fertig, und ich wollte nicht 2 große Projekte gleichzeitig machen), habe ich das Ziel von 50.000 Wörtern nicht erreicht. Habe für mich das Ziel festgelegt, 25.000 Wörter zu schreiben und erstmals einen Plot (Handlung) komplett abzuschließen. Dieses Ziel werde ich voraussichtlich heute erreichen.
Deswegen an dieser Stelle das Logbuch der letzten 2 Wochen:
13.11. Wetter grau; Diss war zwei Tagen abgeschlossen. Mir ist soooo langweilig. Hab mir heut die Gitarre gekauft. Macht Spaß- aber meine Hände sind das Spielen nicht mehr gewohnt, und ich kann nur 10 Minuten üben. Bücher übers Schreiben ausgeliehen. Haufenweise gute Tips, vielleicht sollte ich einfach anfangen zu schreiben. Aber worüber? Ich schein nicht der Einzige zu sein mit solchen Problemen. Im Forum von Nanowrimo sind etliche, die schreiben „mein Plot funktioniert nicht“.
14.11. Wetter grau; laaaangweilig. Jobangebote gecheckt, Schwedisch Aufgaben gemacht. Mein Gehirn läuft frei. Hab Ideen für ein Kinderbuch, den großen Wendezeitsroman, eine Liebesschnulze und geschätzte 4 Krimis. Denke drüber nach, welche Art von Buch ich schreiben möchte. Versuche, ne Handlung für jedes zu erstellen. Mit dem Krimi komm ich am weitesten. Aber will ich wirklich Krimiautor werden?
15.11. Wetter grau; Weiter der Gedanke. Will ich Krimiautor werden? Nachkriegsroman verspricht mehr Klasse. Aber dafür- ganz ehrlich fühl ich mich noch nicht bereit. Da müsst ich viel Recherche für machen. Also doch Krimiautor?
16. 11. Wetter grau; Immer noch am Grübeln. Papa ruft mich an, und ich schildere ihm das Dilemma. Seine Antwort: wenn du nur überlegst, welcher dieser Bücher das Beste ist, und nie zu schreiben anfängst, ist es scheißegal, welches das Beste ist. Dann existiert nämlich nicht mal das Schlechteste. Kurz! brutal! Wahr! Ich schaue, welcher Plot schon am weiesten ausgearbeitet ist, und fange einfach an zu schreiben, von dem Mann der während der Rush Hour in der Stockholmer Ubahn tot zusammenbricht, und niemand hat was gesehn.
17.11. Wetter grau; fast 3000 Wörter zusammen.Wow, das ging ja schnell Melde mich bei Nano an; werde die 50.000 wohl nicht erreichen, aber mal sehn, wie weit ich komme.
18.11. Wetter grau; 5000 Wörter, komme gut mit meinem Plot voran. Das Schreiben macht Spaß
19.11. Wetter grau; 8000 Wörter, hab den erste Teil der Handlung fast abgeschlossen, fange jetzt mit dem zweiten Handlungsstrang an.
20.11. Wetter grau; 9500 Wörter. Der zweite Handlungsstrang und der erste passen nicht recht zusammen, komme ins Stocken, muss dreimal neu formulieren, bis es sich gut anhört.
21.11. Wetter grau, 11.000 Wörter, muss die Mordszene ändern, was ich mir da gedacht hab, klappt nicht. Und der Verlobte meines Hauptcharakters ist sooo langweilig. Im wirkliches Leben heut klettern gegangen. Hat Spaß gemacht, überlege, welcher meiner Charaktere klettern sollte.
22.11. Wetter grau; dieses elende Wetter nervt wie nur was! Aber nit halb so sehr, wie dieser Plot, der Leser fiebert- wer hat Thoralf ermordet, und warum? Frag ich mich auch! Mein ursprüngliches Motiv ist so flach, das braucht echt keiner. Will was tun, schreibe die Verhörszene um, und schmeiß den Verlobten raus. 13000 Wörter.
23.11. Heut morgen blauer Himmel, ca. 20 Minuten lang, dann wieder Wolken, Wetter grau; beende die erste (falsche) Spur, schöne lange Szene 16000 Wörter bester Tag bis jetzt.
24.11. Wetter grau, aber kein Regen. Überlege, ob ich raus gehen soll. Entscheide mich dagegen, ein Fehler. Abends Sprachkurs, letzter Termin vor der Abschlussprüfung. Nichts geschrieben heut, 16.000 Wörter. Träume nachts von Reich Ranicki.
25.11. Wetter grau, übelste Novemberdepression, ich hasse alles und jeden. Alles geht mir auf die Nerven, die Dunkelheit, die Enge unserer Wohnung, und der Roman. Hab mir den dritten Teil vom Drachenbeinthron aus der Bücherei ausgeliehen, eines der besten Bücher, die ich kenne. Ein vierbändiges Werk von dem jeder Band 800 Seiten hat, und dass durchweg spannend ist. Im Vergleich dazu ist mein Buch etwa wie eine Kinderzeichnung und ein Picasso. Martin hindert mich daran, alles zu löschen. Ich finde im Forum etliche Leute, denen es genauso geht. Das tröstet. 20.000 Wörter- immerhin.
26.11. Sonne! Tatsächlich, die Sonne scheint. Wusste fast nicht mehr, wie die aussieht. Mache einen Spaziergang, spüre richtig, wie der Vitamin D – Spiegel in meinem Körper steigt. Nach dem heimkommen Geschirr spülen, um Bewerbungen kümmern, schreiben, nachher noch Jenny beim Tapete abkratzen helfen. Das Leben ist schön. 22.000 Wörter
Heute. Wetter grau- wie überraschend. Muss gleich die Wäsche aus dem Trockner holen. In vier Tagen ist der nano vorbei. Die 50.000 werd ich nicht schaffen, aber ich werd mein persönliches Ziel, 25.000 und Story schreiben, wohl heute erreichen. Ich hab wahnsinnig viel gelernt in den letzten zwei Wochen. Das Wichtigste war wohl, dass Schreiben beinharte Arbeit ist. Wir bewundern Kunst, wir erstarren vor Erfurcht vor einer Mona Lisa. Aber ich frag mich: wie viele Mona Lisas hat da Vinci wirklich gezeichnet? Wie viele Skizzen hat er gemacht, auf wie vielen Bildern vorher hat er mit Farbe experimentiert, um genau diesen Effekt zu erreichen? Wie viele Augen hat er gezeichnet, bis er dies weltberühmten Augen malte, die einen durch den gesamten Raum verfolgen? Das Schreiben ist genau so. Ich hab schon so viel geschrieben, Kurzgeschichten, Gedichte, diesen Blog. Ein Roman ist was anderes. Die Spannung aufrecht zu erhalten, glaubwürdige Charaktere zu bauen, und die reine Ausdauer, über hundert Seiten die Geschichte weiter zu spinnen, auch das ist was, für das man Talent haben kann, um das Talent zu nutzen, muss man es tatsächlich lernen.
Nachtrag 1: da mein Vater diesen Blog auch liest, und wahrscheinlich Einwände haben wird, muss ich eine Sache verbessern: das Gespräch, das ich beschrieben hab, fand in Wirklichkeit vor 5 Jahren statt, als ich an exakt derselben Stelle war: Ideen für 5 Bücher, und konnte mich für Keines entscheiden. Nehmt es als künstlerische Freiheit.
Nachtrag 2: Wens interessiert: dieser Eintrag ist 1074 Wörter lang.