Mainhattanfiles: Die Küchenschlacht (3/8)

„Das ist eine sehr bewegende Geschichte. Und ich bedauere sehr, was mit Ihrem Volk passiert ist”, sagte ich nach einer kurzen Pause. „Aber ich sehe nicht, was das mit Ihren Messern zu tun hat.”
„Sind Sie begriffsstutzig?”, fragte der Vampir erregt. „Die Römer unterdrücken uns, immer und überall. Sie ermorden uns. Sie nehmen uns unsere Musik. Sie stehlen meine Küchenmesser.”
Das klang nun wirklich nach Verschwörungstheorie.
„Haben Sie jemand Konkreten im Verdacht?”
„Aber ja! Cesar Octavio, mein großer Konkurrent. Ich bin der bessere Koch, und das weiß er. Er erträgt es nicht, in meinem Schatten zu stehen. Bestimmt hat er die Messer gestohlen.”
Das ergab Sinn. Zumindest mehr, als dass sich das Volk der Römer für die Küchenmesser eines Kochs interessieren würde.
„Können Sie mir mehr über diesen Cesar Octavio sagen?”
„Cesar und ich haben gemeinsam die Kochschule besucht. Er hat mich immer gehasst. Von Anfang an. Er hat meine Zutaten versteckt, meine Öfen verstellt. Doch das half ihm nichts. Trotzdem war ich besser in der Abschlussprüfung. Damals hat er mir entsetzliche Rache geschworen.”
Ja, das klang nach einer anständigen Fehde. Als Magier kannte ich mich mit so etwas aus.
„Arbeitet er in der selben Küche wie Sie?”
„Nein, Cesar arbeitet auf der anderen Seite der Stadt im Hilton. Sehr gute Küche, wenn sie auch seit seiner Ankunft leider ihren Standard nicht mehr halten kann.”
„Wegen ihm?”, vermutete ich.
„Selbstverständlich!”
„Warum, denken Sie, hat er Ihre Messer gestohlen?”
„Er ist Römer!”
„Ja, ich meine abgesehen davon. Warum jetzt?”
Der Vampir nickte. „Ich verstehe, was Sie meinen. Morgen findet in Frankfurt die Küchenschlacht statt.”
„Ich weiß”, antwortete ich.
„Sie wissen es?”
„Ich wollte Karten dafür haben. Aber die sind schon seit Monaten ausverkauft.” Ich konnte den Zorn nicht ganz aus meiner Stimme halten.
„Also sind Sie doch ein Freund der Küche? Dachte ich es mir doch. Also ich bin einer der Kandidaten. Mein Gegner ist Cesar. Deswegen hat er mir die Messer jetzt gestohlen. Er will mich aus der Balance bringen. Mich schwächen!”
„Haben Sie denn noch Karten für die Küchenschlacht?” fragte ich. Ich hatte alles versucht, um an Karten zu kommen.
„Karten? Nein. Keine Chance.”
Ich seufzte theatralisch. „Tja, das ist schlecht. Ich werde versuchen, ihre Messer so schnell wie möglich wieder herbeizuschaffen. Aber die beste Möglichkeit wird sich wohl morgen ergeben. Und wenn ich nicht dabei bin…” Ich brach ab.
„Nun, ich werde sehen, was sich machen lässt. Normalerweise ist die Küchenschlacht nie so begehrt. Aber wir sind nun mal die besten Köche von Deutschland, und das will sich keiner entgehen lassen.”
„Und außerdem kommt auch noch ihr Gaststar, nicht wahr? Wie hieß sie noch mal? Cosma Shiva?”
„Nein, Cosma Shiva ist die Tochter von Nina Hagen. Sie meinen Cosmopolita? Ja, vermutlich gibt es auch den einen oder die andere im Publikum, die Cosmo sehen möchte.”
„Das können Sie wetten” murmelte ich.
„Wie bitte?”
„Am besten …“, redete ich schnell weiter, „zeigen Sie mir jetzt den Platz, an dem die Messer sich zuletzt befanden. Ich nehme an, das wäre ihre Wohnung?”
Der Vampir schüttelte den Kopf.
„Nein, ich bewahrte die Messer an meinem Arbeitsplatz auf.”
„Ich verstehe. Dürfte ich mich dort umsehen?”
„Das wird schwierig. Das Rothschild ist extrem pingelig in dieser Hinsicht.”
Das Rothschild? Das war nun wirklich eine gute Adresse. Hattie wohnte dort. Also hatte Hattie den Klienten direkt in ihrem eigenen Hotel gefunden.
„Es wäre sehr wichtig, dass ich Zugang zu der Stelle hätte.”
„Ich verstehe … In Ordnung. Dann kommen Sie am besten gleich mit. Vormittags sind nicht so viele Leute in der Küche.”
„Danach sollte ich mir diesen Cesar ansehen. Wie kann ich ihn am besten erreichen?”
Grau winkte ab. „Cesar ist nur die Spitze des Eisberges. Das war kein Einzeltäter. Das war eine Verschwörung. Die wollen mich fertig machen.”
Ich atmete einmal tief durch. „Natürlich. Aber vielleicht steckt er ja mit denen unter einer Decke. Schließlich ist er ja selbst Römer.”
„Da haben Sie natürlich auch wieder recht. Ja, natürlich! So weit habe ich gar nicht gedacht. Cesar arbeitet auf der anderen Seite von Frankfurt. Zu ihm können wir danach. Um diese Zeit wird er noch nicht in der Küche sein.
„Warum sollte er auch? Es ist doch erst viertel nach zehn.”
Der Vampir blickte mich zum ersten Mal fast belustigt an. “Sie kennen sich in Großküchen nicht aus, oder?”
„Nein, warum?”
„Weil unsere Arbeit viel früher beginnt. Cesar wird um diese Zeit auf den Märkten zu finden sein, um die frischsten Gemüse und das beste Fleisch auszusuchen.”
„Ich verstehe. Und Sie haben das bereits erledigt?”
„Nein, ich kümmere mich darum nicht.”
„Soso.” Wenn er sich darum nicht kümmerte, dann war nicht er der Küchenchef. Kein Wunder, dass er mich nicht in der Küche haben wollte.
„Ich bräuchte noch eine Beschreibung der Messer”, sagte ich. „Und am besten ein Foto.”
„Ein Foto habe ich leider nicht. Aber sie sind einfach zu erkennen. Es sind schwarze Messer, insgesamt sieben Stück, mit hölzernen Griffen. Zwei davon verfügen möglicherweise  über magische Eigenschaften. Das Größte schneidet ausschließlich Rindfleisch, dies extrem gut, aber nur Rindfleisch.”
„Ich verstehe”, sagte ich und notierte „Magisches Rindermesser” auf meinem Block. Der Auftrag wurde ja immer spannender. Ein Messer mit dem man Kühe schneiden konnte! „Und das zweite?”
Grau zuckte mit den Schultern. „Ach, nichts Besonderes. Es ist verziert mit seltsamen Zeichen. Aber ich habe nie etwas Magisches daran entdeckt.”
„Was für Zeichen wären das?”
„Krakel und Haken. Warten Sie! Von dem Messer habe ich sogar ein Foto, weil ich das mal jemandem im Internet zeigen wollte.”
Zu meiner Überraschung zückte er ein Handy. Aber wieso war ich überrascht? Vampire waren ein altes Volk, manchmal umständlich und unmodern. Aber sie hatten sich mittlerweile notgedrungen angepasst. Und dieser Vampir hörte Techno und würde Morgen im Fernsehen auftreten. Mit Cosmo …
„Ah, da haben wir es.”, sagte Grau und zeigte mir ein Bild von einer schwarzen Klinge. Ich starrte auf den Bildschirm. Und wusste, warum jemand ein Küchenmesser stehlen wollte.
„Sie wissen wirklich nicht, was das ist?”, fragte ich, und meine Stimme schien von weither zu kommen.
„Meine Internetbekanntschaft sagte was von einem Wikingerschwert.”
„Das ist ein altnordisches Berserkerschwert”, krächzte ich. Ich schloss die Augen. Das war nicht gut. Das war gar nicht gut!
„Sie wissen, was das bedeutet? Die Magie der Berserkerschwerter verfliegt nicht. Es wird jeden, der es anfasst, in einen Berserker verwandeln.”
„Die Römer können von dem Schwert nicht beeinflusst werden”, wandte Grau ein.
„Die Römer nicht. Aber jeder Mensch. Wir müssen das Schwert finden, bevor Frankfurt einen Amoklauf erlebt!”
„Dann lassen Sie uns gleich los”, sagte er und sprang auf.
„Ich muss noch etwas von zuhause holen gehen. Können wir uns in einer Stunde an Ihrer Arbeitsstelle treffen?”, fragte ich, die Tür öffnend.
„Ich werde Sie erwarten”, antwortete Grau.
Hatti blickte uns aus einem blitzblanken Raum entgegen. Vor ihr lagen säuberlich sieben Stapel Papier.
„Ah, Sie sind sich einig geworden?”, fragte sie.
Der Vampir nickte geschäftig. „Aber natürlich. Wir müssen sofort…”
„Dann lassen Sie mich gleich den Vertrag aufsetzen”, unterbrach sie. Ich erbleichte. Ich hatte vergessen, ein Honorar auszuhandeln.
„Ähm, wir haben noch nicht…”, begann ich.
„Es geht um das Wohl der Stadt, nicht um kleinlichen Mammon”, deklamierte der Vampir. Oh klar, es war ja schließlich sein Geld, um das es ging.
„Sie haben Recht”, sagte ich, zur Tür eilend. „Es ist wichtig, dass wir uns der Krise annehmen. Bitte klären Sie doch schnell die Geldfrage mit meiner Sekretärin. Ich bin auf dem Weg.” Damit zog ich die Tür hinter mir zu, nicht bevor ich gesehen hatte, dass dem Vampir das Lächeln vergangen war. Hattie dafür grinste wie ein Piranha, dem man ein Stück saftiges Fleisch vorgeworfen hatte.

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