Fische sind Freunde- von wegen!

Wikipedia definiert eine Phobie „… eine krankhafte, das heißt unbegründete und anhaltende Angst vor Situationen, Gegenständen, Tätigkeiten oder Personen, allgemein vor dem phobischen Stimulus. Sie äußert sich im übermäßigen, unangemessenen Wunsch, den Anlass der Angst zu vermeiden. Der Begriff Phobie wird jedoch auch im nichtmedizinischen Sinne für Abneigungen aller Art gebraucht.“ Link
Phobien kann man vor so ziemlich allem entwickeln, vor Höhen, Tiefe, Enge, Weite, der Farbe Blau (kein Witz), Spinnen, Vögeln oder Wolken. Menschen, die unter Phobien leiden, haben Probleme, ihr alltägliches Leben zu bewältigen. Ich bemitleide diese armen Teufel  und bin froh, keinerlei Probleme in dieser Richtung zu haben. Mein Problem liegt anderswo: ich bin fest davon überzeugt, dass alle Kreaturen, die im Wasser leben, es auf mich abgesehen haben!
Als Kind fuhr ich mit meinen Eltern und meiner Schwester nach Spanien. Den ganzen Tag tobten wir im Wasser herum, bis ich blau gefroren zur Decke kam, wo meine Mama leckeren Kuchen und Limo bereithielt. Meine Schwester hatte Taucherbrille und Schnorchel dabei, und neugierig wie ich war, bettelte ich so lange, bis ich auch durchschauen durfte. Das war der Moment, in dem ich meine Wasser-Unschuld verlor. Ich sah Wälder von Tang. Sie graptschten nach meinen Beinen, und mittendrin ein Fisch, der mich anglotzte. Mit einem Schrei warf ich die Taucherbrille von mir, und hechtete an Land, wo ich versteckt unter dem größten Laken zitternd sitzen blieb. Danach war der Urlaubsfrieden gestört. Meine Schwester war sauer, weil ich ihre Taucherbrille verloren hatte, mein Vater, weil ich ihm auf der Flucht vor dem Fisch ans Bein getreten hatte. Und ich- konnte nicht mehr ins Wasser. Es war eine Qual! Die Hitze der spanischen Sommersonne, und das weite, strahlende Meer, aber ich wusste, irgendwo unter dieser glitzernden Oberfläche wartet DER FISCH auf mich, um mich anzuglotzen- oder Schlimmeres.
Im Jahr danach fuhren wir wieder nach Spanien. Und tatsächlich, langsam und ängstlich, aber ich ging ins Wasser, nachdem man mir versichert hatte, dass sich in Strandnähe wegen der vielen Touristen sowieso kein Tier hintraute. Langsam legte sich die Panik. Rumplanschen, in der Brandung stehen. Wasser ist was Herrliches! Und diese wunderbaren Rillen, die es im Sand hinterlässt. Zwischen den Rillen lagen kleine Steine, einer sah aus wie ein Auto, ein zweiter wie ein Baum, auf dem dritten wuchsen zwei Algen, genau gleichlang, und da waren Flecken dazwischen wie Augen, und die blinzelten…. Das war das letzte, was ich sah, bevor wir flüchteten, ich mit einem gellenden Schrei an den Strand, die Garnele in einer Sandwolke Richtung Meer.
Was sich wie eine spaßige Episode anhört, entwickelte sich zu einem quälenden Muster: Ob Meer, See oder Fluss, völlig egal, ob das Gewässer noch Minuten vorher völlig ausgestorben gewirkt hatte, sobald ich einen Fuß hineinsetzte, tummelten sich in Minutenschnelle die ersten Wassertiere an der Stelle. „Hier gibt’s schon seit Jahren keine Fische mehr!“ wurde zu dem meist gehörten und -gehassten Satz, direkt gefolgt von „also, das ist ja komisch, hier hab ich schon seit Jahren keine Fische mehr gesehen.“ , während ich – in Ballermann, Boostalsee oder Blies von fröhlichen Fischen umkreist wurde. Ich schwöre, Einer hatte eine dreieckige Flosse…..
Mit meinem Ex verbrachte ich einen Urlaub in Zypern. Diese Insel ist für wundervolle Strände und türkisblaues, extrem fischreiches Wasser bekannt. Er hatte eine Unterwasserkamera dabei, und wollte Fische fotografieren. Leider waren die immer sehr weit weg – es war eine billige Einwegkamera, und hatte keinen Zoom. Drei Tage sah ich ihn langsam missmutiger werden, bis ich mich erbarmte, und mit ins Wasser stieg. Einmal ums Riff geschwommen, und schon waren sämtliche Fische der Umgebung bei mir. Ich verzog mich schleunigst wieder Richtung Ufer, während der Mann begeistert die Kamera zückte. „Hmm, so schlimm war das doch eigentlich gar nicht“ dachte ich mir im seichten Wasser stehend. Aber als ich zurücksah, hatte er die Kamera schon wieder weggepackt. Tja, Fische gabs nicht mehr. Die hatten mich flüchten sehen, sich gefragt wo ich so schnell hinwill, und mich alle begleitet. Der gesamte Schwarm stand direkt hinter mir, und…. glotzte mich an.
Ach was! hör ich den geneigten Leser ausrufen. Aber Tatsache ist, dass Freunde in den Tauchurlaub immer ein Foto von mir mitnehmen. Ich möchte glauben, das geschieht aus Freundschaft, und weil sie mich vermissen. Aber ehrlich gesagt glaub ich eher, dass sie es als Köder benutzen.
Was sich mir nie so ganz erschlossen hat, ist, was diese Viecher eigentlich von mir wollen. Optimistische Zeitgenossen warfen die Theorie auf, dass die Fische mich einfach mögen, und mich begrüßen wollen. Das glaube ich nicht. Ich glaube, diese Tiere kennen meine Schwäche für Muscheln in Weißwein, für Scampis mit Aioli, für gegrillten Fisch aller Art- und dass sie es mir eines Tages heimzahlen wollen. Jahrelang vermied ich es, schwimmen zu gehen, außer in gechlorten Schwimmbädern. War kein zu großes Opfer. In Deutschland (abgesehen von Mecklenburg) gibt es ja nicht soo viele natürliche Schwimmmöglichkeiten…Dann zogen wir nach Schweden.
Abgesehen von der Ostsee, die bei uns direkt um die Ecke ist, gibt es allein bei uns im Dorf 4 Seen. Ein Teil der Lebensqualität in Schweden ist es, nach der Arbeit mal kurz in den See nebenan hüpfen zu können. Dummerweise ist das ein Teil der Lebensqualität, die der beste Mann der Welt spontan für sich adaptiert hat. Und weil schwimmen wie so vieles zu zweit viel mehr Spaß macht, bin ich -gaaaanz vorsichtig mit rein. Hab mir gedacht: hey, in diesem See hab ich noch nie Wassertiere gesehn, nur ein paar Kaulquappen, und so ne kleine Schlange im Gebüsch. Dummerweise hab ich das dann erwähnt, und er meinte ganz unschuldig: Schlangen können schwimmen. …Aber die kommt bestimmt nit so weit aufs Wasser raus.
Das tröstete mich nicht, vor meinen Augen wurde die Schlange immer größer, wie die Gigapython, die ich es auf einem Foto in der Bildzeitung gesehen hab, und ganz sicher schlich sie sich schon an, war sie schon unter mir. Gleich würde sie mich angreifen, meinen Bauch oder meine Beine! Warum hab ich den Bikini angezogen? Mein Bauch ist ungeschützt. Zwei Minuten hielt ich es aus, dann sprintete ich zum Ufer zurück, einen sehr verdatterten Mann mitten im See zurücklassend, der gar nicht verstand, was los war, unters Handtuch, wo ich zitternd sitzen blieb. Ich wusste es genau: die Wassertiere hatten einen neuen Verbündeten, die Schlange! Letzte Zweifel über meine Logik blieben – ein Element meiner Beweiskette war schließlich ein Foto der Bildzeitung, wurden allerdings ausgeräumt als ich mich anzog, und…. die Schlange das Ufer entlang direkt an mir vorbei schwamm und mich anglotzte!
Seitdem hat sich das alte Muster wieder etabliert: wir gehen zum Wasser und kaum komme ich an, krault eine Schlange an mir vorbei oder ringelt sich durchs Gras. Sie wartet darauf, dass ich wieder ins Wasser komme, um mich zu kriegen! Hinweise, wie „es ist eine Ringelnatter, was soll die dir tun?!“ lehne ich als realitätsfern ab. Vielleicht ist es ja eine ehrgeizige Ringelnatter? Ich gehe kein Risiko ein! Das hat nicht das geringste mit „irrationalen Ängsten“ oder Phobien zu tun….

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