Es ist Sommer in Schweden und wir haben ein Auto.
Und genau deswegen befinden wir uns mit besagtem Auto auf der E4, auf dem Weg nach Uppsala. Es gibt einige Gründe, Uppsala zu besuchen: der mächtige Dom, die altehrwürdige Universität, die Wikingergräber (a.k.a. Grashügel, ganz ehrlich, viel sieht man da nicht). Aber wir wollen Freunde besuchen.
Wir besitzen alle kein Auto, eigentlich gibt es eine direkte Verbindung zwischen Stockholm und Uppsala, wir könnten uns in Zug oder Pendeltag setzen. Aber die Behörden raten davon ab, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, und deswegen haben wir uns seit Monaten nicht gesehen… Das Leben könnte perfekt sein, wäre da nicht diese verdammte weltweite Pandemie, die uns in Atem hält und jeder menschlichen Interaktion eine Risikoanalyse vorschaltet.
Sobald wir Stockholm hinter uns lassen, wird es ruhiger. Ja, auf der Autobahn! Ich weiß nicht, was es ist, aber in der Großstadt scheint alles immer lauter zu sein, schneller. Eigentlich liebe ich das. Ich finde Stockholm perfekt, und möchte niemals in eine Kleinstadt ziehen wie unsere Freunde. Aber für den Augenblick genieße ich den Wechsel. Denke ich, als wir plötzlich SEHR scharf bremsen.
“Was war das?” frag ich und blicke mich um. Nichts. Keine Schilder, keine gefährlich nahen Autos. Es gab keinen Grund, zu bremsen.
“Das… das war das Auto!” antwortet Martin verdattert.
Das klingt wie die dümmste Ausrede auf diesem Planeten. Ist es aber nicht. Unser Auto verfügt über den allerneuesten Kram, Abstandhalter … und auch Geschwindigkeitsprüfer. KI der Zukunft halt. Nur leider ist die künstliche Intelligenz nach wie vor ziemlich unintelligent. Auf der Strecke befand sich bis vorgestern eine Baustelle, mit Tempo 60. Die Baustelle ist weg, die Geschwindigkeitsbegrenzung auch. Nur leider nicht im System, und deshalb hat das Auto uns mal grad auf 60 runtergebremst.
Kurz darauf werden wir vom Navi von der Autobahn herunter geleitet, und finden uns bald in einem Ort mit 4 Straßen wieder. “Sie haben ihr Ziel erreicht”, sagt das Auto. Wir schauen uns an und fluchen. Schwedische Kleinstädte sind allgemein im Vergleich zu deutschen geradezu winzig, aber Uppsala ist die viertgrößte Stadt Schwedens, mit hundertsiebzigtausend Einwohnern. Und das hier ist keine Kleinstadt. Wir versuchen das Navi neu zu starten und stellen fest, dass wir noch zehn Kilometer von der Stadt entfernt sind. Wir rufen unsere Freundin an, um zu sagen, dass wir später kommen.
“Wo seid ihr jetzt?”
“Irgendwo in der Gegend. Die Straße heißt Askvägen.”
“Dann seid ihr ja bei mir.”
Ich stutze. Kann es sein… Wird das wieder so wie bei Erik? Da klopft es auch schon an die Scheibe. Wir sind richtig!
Ich empfehle Leuten, die nur ein paar Tage in Stockholm verbringen, immer zwei Ausflüge: Die Schären, um den Schärengarten zu erleben, und Tyresö, um ungefilterte schwedische Natur zu erleben. Nach dem Tag muss ich eine Dritte hinzufügen: Uppsala, wenn man das schwedische Kleinstadtleben haben will. Ok, mit seinen 170k ist Uppsala offiziell keine Kleinstadt. Aber es fühlt sich so an! Alles ist fußläufig erreichbar und … gemütlich. Wir verbringen einige wundervolle Stunden am Ekoln, einer der langgestreckten Seen, die man bis zur Ostsee durchfahren kann. Vom Segelhafen ins Naturschutzgebiet, und plötzlich sind wir quasi allein. An einem Badestrand zieht Töchterchen sich um und hüpft ins Wasser. Es ist ein bisschen kalt. Aber wen interessierts? Es ist Sonntag, der Alltag ist weit weg und die einzigen, die sich nicht an social distancing halten, sind die Enten.
Und dann treffen wir uns mit anderen Freunden im Stadtpark, am Ufer des Fyris, wo im Mai die Studenten feiern und jetzt verstreut die Leute sitzen. Neben uns feiern einige Schweden etwas, vielleicht einen Geburtstag? Sie sind alle im Partyoutfit, trinken und spielen Kubb. Tochter ist abgezogen und macht den örtlichen Spielplatz unsicher. Irgendwann kommt das Ordnungsamt, zur Party, nicht zu Tochter. Ach ja, eigentlich ist es verboten in schwedischen Parks Alkohol zu trinken. Freundlicherweise haben sie mit dem Stören gewartet, bis die Flaschen leer waren.
Sie ziehen ab, und auch wir machen uns langsam auf den Heimweg. Nur Kind will nicht. Das ist der allerbeste Spielplatz! Wir werden nie mehr so einen tollen Spielplatz finden! Sie weint. Mittlerweile hat sie dem Klettergerüst einen Namen gegeben. Sie will das Gerüst mitnehmen. Wir beruhigen sie, es gibt noch anderswo tolle Spielplätze. Wir werden, nur für sie, die besten Spielplätz Schwedens suchen! Noch wissen wir nicht, wie prophetisch diese Worte sind. Ich hätte das hier auch titeln können mit “Schwedens Spielplätze”.