Mainhattanfiles: Blind Date (3/3)

Langsam stand ich auf und verlagerte mein Gewicht nach hinten ins Mansta, die traditionelle Ausgangsposition bei magischen Kämpfen.

„Können wir uns vielleicht einen anderen Tisch suchen?“, fragte Natalie. Ihr selbstbewusster Tonfall war einem ängstlichen Piepsen gewichen.
Ich sah mich um. „Die sind alle besetzt.“
„Aber… ich kann hier nicht bleiben. Tut mir leid. Ich weiß, das wird dir blöd vorkommen, aber ich habe Angst vor Spinnen.“
„Das kommt mir gar nicht blöd vor, kein Stück. Ich mag die Viecher auch nicht besonders.“ Ich versuchte, meine Stimme ruhig und selbst sicher klingen zu lassen, während ich die Wand nicht aus den Augen ließ. Der Achtbeiner hatte seinen Faden fertig gesponnen und saß jetzt am Rand des Netzes. Lauernd, bereit zum Zuschlagen.
„Kannst du sie nicht totmachen?“, fragte Natalie. Ich schüttelte panisch den Kopf.
„Nein, äh, ich bin Tierfreund.“ Ihr Blick verriet, dass sie mir den Blödsinn wirklich abgekauft hatte.
„Dann sollten wir vielleicht gehen….“
„Keine Sorge! Ich sitze doch zwischen euch.“
Natalie lachte. „Ein Ritter zwischen der holden Maid und dem grässlichen Untier?“
„Ja, genau!“
„Aber was, wenn sie herüberkrabbelt und sich dann von der Decke auf mich stürzt?“

Da hatte sie auch wieder recht. Unsicher sah ich mich um. Ich musste etwas unternehmen, aber hier, mitten in dem vollen Cafe, konnte ich keine Magie verwenden. Ich beschloss eine direkte Konfrontation. Hoffentlich war die Spinne nicht zu hungrig!

„Hallo Achtbeiner“, sagte ich mit einer Ruhe, die ich nicht fühlte. „Du hast hier vielleicht lange gewohnt, aber nun wird es Zeit für dich zu verschwinden. Ich möchte hier meinen Kaffee trinken. Du hast Zeit bis morgen, dir eine neue Bleibe zu suchen, sonst bekommst du es mit mir zu tun. Und jetzt weg mit dir! Ich will dich hier nicht mehr sehen!“ Die Spinne sah mich scheinbar unbeeindruckt an. Dann schien sie mit den Schultern zu zucken, bevor sie langsam in Richtung Fenster davon krabbelte. Hinter mir lachte Natalie erleichtert auf.
„Sie scheint auf dich zu hören.“ Ein Hauch von Hysterie lag in ihrer Stimme.
„Sieht so aus“, sagte ich vorsichtig.
„Ich hab einfach so Spinnenangst. Ich weiß, es ist albern, diese winzigen Tierchen können mir ja nichts tun, aber…“ Ich ließ ihren Wortschwall über mich ergehen, während ich mich wieder beruhigte. Für einen Moment hatte ich eine direkte Konfrontation befürchtet. Natürlich hätte ich gegen die Spinne gewonnen! Wahrscheinlich! Aber es wäre meinem Inkognito wohl nicht gut bekommen, mitten auf dem Campus Feuerbälle zu werfen. Und anders wäre ich der Spinne nicht beigekommen. Spinnenangst, ha! Ich, der ich hinter die Tarnung der Spinne hatte blicken können und das Einmeter große Monster erkannt hatte, litt auch unter Spinnenangst. Die Arachnen lebten normalerweise in Wäldern oder Sümpfen, wo ihre Opfer nie gefunden wurden. Aber die Stadt zog alle möglichen Arten von Monstern an.

„Glaubst du, sie ist wirklich verschwunden?“, fragte Natalie.
„Ja, ich denke. Und ansonsten…“ Ich lächelte wie über einen Witz, den nur ich verstand, „ansonsten wird Tom sich um sie kümmern.“
„Er ist Detektiv, nicht wahr?“, fragte Natalie eifrig.
„Ja, genau. Er hat ein Büro in der Stadt.“
„Das muss furchtbar spannend sein.“
„Und ob!“ Und ich stürzte mich in die Schilderungen von Toms Fällen, Schießereien bei Vollmond, Rettungen in letzter Sekunde. Es war mir immer viel leichter erschienen, über Tom zu reden als über mich selbst, auch wenn ich ein klein wenig übertrieb. Na gut, ich übertrieb maßlos, aber Natalie schien das gar nicht zu stören. Sie hörte mir mit offenem Mund zu.
„Das muss ja total spannend sein, mit ihm zusammen zu wohnen.“
Ich zuckte mit den Schultern. „Er ist mein Bruder“, sagte ich cool. Langsam wärmte ich michauf. Warum hatte ich so lange Angst davor gehabt, mit einer Frau zu sprechen? Es war doch ganz einfach.

„Sag mal, könntest du mir einen großen Gefallen tun?“, fragte Natalie da. Ich nickte wichtig.
„Na klar!“ Wahrscheinlich hatte sie ein Problem mit ihrem Computer oder brauchte Mathenachhilfe. Solche Sachen halt, mit den Frauen nicht klarkamen.
„Könntest du Tom um ein Treffen bitten?“, fragte sie mit niedergeschlagenen Augen.
„Ist etwas nicht in Ordnung? Brauchst du einen Detektiv?“
„Nein, es ist nicht so ein Treffen. Ich meine… ein Date.“

Miranda wählte genau diesen Moment, um nach einer neuen Bestellung zu fragen und die letzten Worte mitanzuhören…

Meine Ohren klingelten immer noch, als ich die Tür zum Büro aufschloss. Himmel, hatte Miranda eine Stimme! Und was für Ausdrücke sie kannte! Miranda war klein und niedlich, aber wenn sie das Gefühl hatte, einer ihrer Freunde wurde unfair behandelt, verwandelte sie sich in eine Furie. Ich schätzte das an ihr, in Avalon würde sich nie jemand spontan vor einen anderen stellen, ohne Vor- und Nachteile und eventuelle Folgen mindestens fünfmal abzuwägen. Aber dieses Mal hatte es mir die Tour vermasselt. Natalie konnte ich wohl vergessen, so wie Miranda sie beschimpft hatte. Und was hätte ich sagen sollen? Das mir das absolut recht war, Natalie mit Tom zu verkuppeln? Dass das mein Plan war?

Ich zog meinen schwarzen Mantel aus. Die Skelettknöpfe an der Garderobe sahen mich an, als wollten sie mich auslachen. Aber wahrscheinlich war das nur meine Einbildung. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich eine Bewegung. Mich überlief es kalt. Ich war nicht allein im Büro. Und meine Schutzrunen hatten nicht angeschlagen. Ich fuhr herum, als ich hinter mir eine Stimme hörte:
„Paulus T. Crowley, nehme ich an.“

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